Wakacje w mieście / Ferien in der Stadt
Der Titel würde banal, unbeschwert und angenehm erscheinen, wären da nicht die Umstände und Orte, die die Autorin für ihre Fotoerzählung gewählt hat. Das kleine, von den Straßen Trzebnicka, Jagielończyka und Myśliwska eingefasste und Stadtmitte genannte Areal ist ein Ort, der für seine hohe Kriminalität berüchtigt ist und durch das bekannte Lied von Klaus Mitffoch und Lech Janerka Berühmtheit erlangt hat. Es fällt einem die Redewendung "Hüte dich vor diesen Orten" ein, doch ist das wirklich berechtigt? Gibt es doch in jeder größeren Stadt in Polen solche dunklen Ecken mit Gassen, Toreinfahrten und Hinterhöfen, die man besser meiden sollte. Bewirkt ein Ort allein, dass man alle Bewohner unter dem Begriff Randgruppe zusammenfasst und über einen Kamm schert und den Kindern das Label 'Straßenkinder' anheftet? Ich denke nicht.
Als ich mit der Autorin über ihre Ausstellung in der Galerie Obok sprach, wusste ich bereits, welches Material sie mir zeigen will und mir fiel als erstes zwangsläufig eine Reportage von Adam Lac ein, der einige Jahre zuvor ebenfalls Fotos von Kindern aus dem sogenannten 'Breslauer Dreieck' gemacht hatte. Ich erwartete also, ebenso düstere, rohe und deprimierende Bilder zu sehen. Weit gefehlt! Agnieszkas Fotos von erinnerten in Nichts an die typischen Pressefotos. Sie kamen ohne überflüssige Dramaturgie, Dramatik und Zusätze aus, mit denen fotografische Erzählungen oft eingefärbt werden. Die Künstlerin konzentrierte sich ganz auf die Kinder und die Kindheit - die möglicherweise in einem nicht sehr freundlichen Milieu verbracht wurde, doch erzählt sie darüber mit einer großen Portion Wärme und Sympathie für ihre kleinen Helden.
Ich habe mich gefragt, ob diese fotografische Grundhaltung aus ihrer weiblichen Sicht und ihrem Verhältnis zur Kindheit resultierte, oder vielleicht eher doch aus der Tatsache, dass sie Kinder aus ihrer Nachbarschaft fotografiert hat, denen sie heimlich durch das Fenster in einem nahen Hof zuschaute? Oder vielleicht durch die Tatsache, dass Agnieszka selbst im Innenstadtviertel wohnt und das Umfeld von eingeworfenen Scheiben und kaputten Mauern keinen Eindruck auf sie zu machen scheint?
Das ändert nicht die Tatsache, dass die Empfindungen, welche die Fotos von Agnieszka in mir hervorriefen, mich an die Fotoreihe "Mały człowiek" (Kleiner Mensch) von Zofia Rydet erinnerten, die Kinder in einer ähnlichen Kulisse fotografierte, jedoch in einer völlig anderen Zeit und sehr verschiedenen Umständen. Trotz der Generationen, die beide Künstlerinnen voneinander trennen, haben ihre Fotos etwas gemeinsam - was man als humanistische Sicht auf ein Subjekt und die Fotografie im Allgemeinen bezeichnen kann.
Trotz der armseligen Szenerie der Bilder und des Eindrucks von Elend begegnet Agnieszka Prusak den Protagonisten ihrer Fotos mit großem Respekt, ohne sie ihrer Würde zu berauben oder das Bildmaterial unnötig zu manipulieren. Die Fotografien bewegen sich zwischen Porträtaufnahmen und Bildern, die Situationen während des Spiels einfangen. Als Hintergrund dienen die beschmierten und heruntergekommenen Hauswände, Kartons, Teppichstangen, ein Sandkasten... Anna Wolska, Galerie Obok ZPAF Warschau, 2010
3. Blow Up / Vergrößerung
Fotografien von Insassen der Haftanstalt Nr. 1 in Breslau, die zu langjährigen Haftstrafen, einschließlich Lebenslang verurteilt worden sind.
Es geht nicht darum, die Welt hinter den Gefängnismauern als exotischen Raum zu zeigen, der wegen seiner Unzugänglichkeit und der Atmosphäre des Geheimnisvollen Neugier auslöst, sondern darum, die in Freiheit lebenden Menschen dazu zu bewegen, in den Spiegel zu schauen.
Als ich durch die Straßen des Viertels streifte, in dem ich wohne, stieß ich plötzlich auf das Gebäude des Gefängnisses, das war Zufall, ich schaute durch das Objektiv und sah plötzlich ein großes Fenster, Gitter, eine Mauer, einen großen Bau, Mauer hinter Mauer, und in diesem Fenster lächelnde Menschen, das war ein unglaubliches Erlebnis für mich, diese Augen und dann Freude? Wie ist das möglich, schließen sich dieser Ort und ein Lächeln doch gegenseitig aus... In diesem Moment dachte ich, dass ich diese Menschen gern fotografieren würde, ihnen in die Augen schauen, sehen wie sie leben, welcher Sinn in dem Ganzen steckt, im übrigen schien mir das zu jener Zeit unerreichbar, verschlossen, bevor ich Zutritt zum Gefängnisgelände bekam, und danach zu den einzelnen Zellen, verging ziemlich viel Zeit, sowohl dort, wie auch hier, und ich schlug mich mit dem Gedanken herum, ob ich der Herausforderung gewachsen sein würde, ob ich imstande bin, in diese  geschundenen Augen zu schauen, ich stellte mir eine Menge Fragen, aber als ich dann drinnen war, kam ich immer häufiger, mit jedem Tag, immer weniger mit der mich flutenden Traurigkeit fertig, die mich jede Minute der Zeit erfasste, die ich mit den Menschen verbrachte.
Ich wurde gefragt, warum ich dorthin gehe, dort ist es gefährlich, sind das Affen keine Menschen. Stimmt das? Diese Fragen stelle ich mir heute nicht mehr, doch bitte ich jeden von uns, in sich selbst hineinzuschauen, die Mauern, die wir errichten, sind Mauern, die jeden von uns teilen, errichten wir nicht noch mehr davon... Meine Protagonisten leben, atmen und fühlen, sie haben Zeit, doch haben wir diese Zeit? Im Gefängnis habe ich sie etwa 11 Monate lang fotografiert und trage heute mehr Gepäck mit mir herum.
Blow Up bedeutet Vergrößerung, Vergrößerung auf das Galerieformat, Vergrößerung der Gefühle, des täglichen Kampfes gegen das Gefühl der Schuld, mit sich selbst, Vergrößerung in der Einsamkeit, Vergrößerung, bis keine Grenzen mehr da sind,...